Arbeitsmarktpolitik

Die AfA geht von einem Leitbild für die Zukunft der Arbeitsgesellschaft aus, nach dem Erwerbsarbeit weiterhin bestimmend für das Leben der Menschen und der Gesellschaft bleibt. Jeder Mensch muss die Möglichkeit zur Teilhabe an sozial abgesicherter und existenzsichernder Erwerbsarbeit haben. Die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit bleibt die zentrale Aufgabe der Politik und der Tarifvertragsparteien. Die Vielfalt der Beschäftigungsformen und der Arbeitsverhältnisse nimmt zu. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse. Wir benötigen Konzepte, die Vielfalt und Sicherheit miteinander verbinden.

Die Erwerbsgesellschaft der Zukunft soll demokratisch gestaltet, ökologisch nachhaltig und sozial gerecht sein. Sie soll allen Männern und Frauen die gleichen Teilhabemöglichkeiten bieten sowie Erwerbsleben und Privatleben bzw. Familie vereinbar machen. Die vielfältigen Lebensbereiche – Beruf, Partnerschaft und Familie, Bildung, politisches und soziales Engagement, kulturelle Teilhabe – sollen nicht nur nacheinander, sondern auch nebeneinander ausgeübt werden können. Eine darauf orientierte Arbeitszeitpolitik muss die Dauer und insbesondere die Gestaltung der Arbeitszeit wieder verstärkt zum Thema machen.

Eine zielorientierte Arbeitsmarktpolitik muss die Maßnahmen der Beschäftigungspolitik ergänzen. Sie muss präventiv ausgerichtet sein und mit regionalen Konzepten der Industrie- und Strukturpolitik verknüpft werden. Es wäre eine Überforderung der Arbeitsmarktpolitik, von ihr die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit zu verlangen. Sie kann Beschäftigungspolitik nicht ersetzen, sondern ergänzen. In diesem Sinn setzt sich die AfA für eine sozialstaatlich orientierte Arbeitsmarktpolitik ein, die

  • Präventivmaßnahmen ergreift, bevor Arbeitslosigkeit eintritt,
  • durch Qualifizierungsmaßnahmen und sonstige Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik das Arbeitskräftepotential fördert,
  • zur Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Schutzvorschriften und tariflicher Standards beiträgt sowie illegale Beschäftigung bekämpft,
  • dazu beiträgt durch Abbau von Überstunden und die Förderung innovativer Arbeitszeitmodelle Arbeit gerecht zu verteilen,
  • Arbeitslose durch die Gewährung von Lohnersatzleistungen sozial absichert,
  • Durch passgenaue Vermittlung eine schnelle Integration von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt gewährleistet und
  • Chancengleichheit von Frauen und Männern fördert und sichert.Die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik ist zu verstetigen und gerechter zu gestalten. Die paritätische Beitragsfinanzierung soll um einen regelgebundenen, steuerfinanzierten Bundeszuschuss ergänzt werden. Mittelfristig sollte die Arbeitslosenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden, denn nur so können wir den veränderten Erwerbsbiografien vieler Menschen gerecht werden. Die zunehmende Förderung selbständiger Tätigkeit macht diesen Schritt unabdingbar.Die AfA engagiert sich in der gegenwärtigen Debatte um einen „aktivierenden Sozialstaat“ und Strategien des „Förderns und Forderns“. Sie wendet sich dabei insbesondere gegen Konzepte, die die Verantwortung für die Massenarbeitslosigkeit individualisieren, eine repressive Arbeitsmarktpolitik befördern und negative Rückwirkungen auf die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben statt zur Beseitigung der sozialen Probleme beizutragen.

    Es gibt Reformbedarf in den Leistungssystemen der Arbeitslosenversicherung. Die AfA lehnt jedoch Leistungskürzungen ab. Diese sind auch unter ökonomischen Gesichtspunkten unvernünftig, da die verhältnismäßig geringen Unterstützungsleistungen für Arbeitslose unmittelbar nachfragewirksam sind. Die weitere Schwächung der Binnennachfrage wird aber eher zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit führen, als zu deren Abbau.

    Das zentrale Problem der nächsten Jahre wird die Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit sein. Es ist die wichtigste soziale Frage, wie besonders Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt ist bei hoher Arbeitslosigkeit unverzichtbar und trägt zur Stabilisierung des sozialen Frieden bei. Dieser zweite Arbeitsmarkt mit dem Ziel der Integration der Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt muss Beschäftigung und Qualifizierung zu tarifvertraglichen bzw. ortsüblichen Bedingungen zur Verfügung stellen.

    Den nun zu gründenden Job-Centern kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Es ist auf Dauer nicht sinnvoll, zwei steuerfinanzierte Leistungssysteme mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen aufrechtzuerhalten, zumal eine erhebliche Zahl von Betroffenen Ansprüche an beide Systeme hat. Die Verzahnung der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist daher notwendig. Es ist ein großer Fortschritt, wenn künftig auch erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger Zugang zu allen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten haben. Die AfA hat sich aber von Beginn an für eine aufkommensneutrale Lösung eingesetzt.

    Mit dem „Gesetz für Reformen am Arbeitsmarkt“ wird die Bezugsdauer der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld ab Februar 2006 deutlich verkürzt. Die AfA hatte sich in der Debatte über diese Maßnahme dafür eingesetzt, alternativ die im SGB III bereits geregelte Erstattungspflicht des Arbeitslosengeldes für Arbeitgeber zu verschärfen, wenn diese ältere Beschäftigte entlassen. Diese Forderung wurde auch umgesetzt, allerdings nur befristet bis zum Inkrafttreten der verkürzten Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes.

    Die verkürzte Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wird in erster Linie ältere Arbeitslose treffen. Viele Betroffene werden nach einem langen Arbeitsleben innerhalb relativ kurzer Zeit auf eine Leistung in Höhe der heutigen Sozialhilfe verwiesen. Besonders betroffen sind auch Arbeitslose zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr, denn bei diesen kann von einem geplanten Übergang in die Rente noch keine Rede sein, gleichwohl hat gerade diese Altersgruppe bereits deutlich schlechtere Vermittlungschancen.

    Aus Sicht der AfA sollte die Gestaltung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes grundsätzlich neu überdacht werden. Denn es stellt sich die Frage, ob es gerecht ist, dass ein 52-jähriger Arbeitsloser nach 30 Jahren Beitragszahlung ebenso nur Anspruch auf 12 Monate Arbeitslosengeld hat wie ein 25-jähriger Arbeitsloser nach fünf Jahren Beitragszahlung.

    Vor diesem Hintergrund macht eine grundsätzliche Neuregelung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes Sinn, die stärker die Beitragsäquivalenz in den Vordergrund rückt. Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung orientiert sich die Leistungshöhe an der Beitragsleistung. Die Altersversorgung steigt mit der Höhe der Beiträge und der Anzahl der Beitragsjahre. Bezogen auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes gibt es keinen sachlichen Grund, warum die Dauer der Zahlung der Versicherungsleistung nicht auch an die Zahl der Beitragsjahre gekoppelt werden soll. Aus Gründen einer Mindestabsicherung einerseits und der Finanzierbarkeit andererseits, müsste bei einer derartigen Neuregelung allerdings eine Mindestbezugszeit und eine Höchstbezugszeit in den bisher geltenden Grenzen geregelt werden.